Welche konkreten Innovationspotenziale sehen Sie bei der Schaffung neuer Produkte und Dienstleistungen durch den Einsatz von KI? Können Sie Beispiele aus der Praxis nennen, die besonders erfolgreich waren?
In erster Linie ist es wichtig zu verstehen, dass Künstliche Intelligenz (KI) zu 90-95 Prozent nicht differenzierend ist. Das heißt, dass jeder zukünftig derartige Lösungen einsetzen wird. KI wird nur zu geringen Teilen wirklich zur Differenzierung beitragen und dies meist sehr produktnah. Derzeit werden dabei insbesondere KI-basierte Steuerungen bzw. Optimierungsverfahren und Computer-Vision-basierte Systeme eingesetzt. Beispielsweise setzt Miele solche Verfahren in neueren Backöfen ein. Als appliedAI arbeiten wir mit verschiedenen Herstellern an differenzierenden Systemen, so unter anderem mit Linde, die KI bei der Steuerung der Gaszerlegungsanlagen einsetzen.
Wie beeinflusst KI Ihrer Meinung nach Netzwerkeffekte innerhalb von Geschäftsmodellen und Ökosystemen? Welche Rolle spielen dabei Datenanalysen und algorithmische Entscheidungen?
Es gibt wenige KI-Ansätze, die speziell für dezentrale Datenhaltung entwickelt wurden. Ein Beispiel dafür ist föderiertes Lernen. Anstatt alle Daten an einem zentralen Ort zu speichern, werden Modelle direkt auf den lokalen Servern trainiert. Netzwerkeffekte entstehen daher insbesondere durch das Teilen von Daten und weniger durch das Teilen von Modellen. Bisher sind davon allerdings wenige zu sehen. Interessant werden zukünftig miteinander interagierende KI-Systeme. Hier werden definitiv neue Arten der Zusammenarbeit entstehen.
Inwiefern können Unternehmen durch die Integration von KI in ihre Geschäftsmodelle und Ökosysteme Wettbewerbsvorteile erzielen? Welche Branchen werden Ihrer Meinung nach besonders profitieren?
Ich würde die Frage gerne umdrehen und folgendermaßen beantworten: Der fehlende Einsatz von KI wird auf jeden Fall zu einem Wettbewerbsnachteil führen! Die Vorteile liegen auf der Hand: Integrieren Unternehmen KI in ihre Geschäftsmodelle, sind sie ihren Wettbewerbern, die nicht auf KI setzen, durch schnellere Prozesse, höhere Qualität und innovative Ansätze einen großen Schritt voraus Typische Beispiele sind die erhöhte Kundenzufriedenheit bei niedrigeren Kosten im KI-basierten Kundenservice, die deutlich beschleunigte Produktentwicklung oder die stabilere und energieeffizientere Produktion. Für all diese Beispiele sind Effizienzsteigerungen von über 30 Prozent möglich.
Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Implementierung von KI in Unternehmen? Was sind Ihrer Erfahrung nach Best Practices, um diese Herausforderungen erfolgreich zu meistern?
Innovation bedeutet Veränderung. Und Veränderungen bringen häufig Herausforderungen in der praktischen Umsetzung mit sich, die jedoch mit den richtigen Ansätzen gemeistert werden können. Um die zahlreichen Möglichkeiten, die KI bietet, vollständig auszuschöpfen, müssen Unternehmen einen gewissen Reifegrad aufbauen. Wenn ich einen Marathon laufen will, muss ich schließlich auch erst mit kürzeren Strecken im Training starten und kann nicht direkt Wunder erwarten. Leider ist es so, dass viele Unternehmen nicht systematisch an diese Aufgabe herangehen. Oft fehlt ein klarer, strategischer Plan und das Commitment, das entweder zu zaghaft oder zu unkoordiniert ist. Ohne eine strategische Herangehensweise und das notwendige Durchhaltevermögen bleiben die Potenziale von KI allerdings häufig ungenutzt, und die erwarteten Vorteile werden nicht realisiert.
KI ermöglicht die Entwicklung intelligenter Produkte und Dienstleistungen. Welche neuen Möglichkeiten des Datenaustauschs und der Vernetzung sehen Sie in diesem Bereich? Wie können Unternehmen diese am besten nutzen?
Hier gibt es zahlreiche Ansätze, doch so richtig erfolgreich war aus meiner Sicht bislang keiner. Der Hauptgrund dafür sind die vielfältigen Herausforderungen, die mit der Datenverarbeitung und den Besonderheiten in der Nutzung von KI-Modellen einhergehen – sie erfordert umfangreiche Datensätze. Die Daten müssen nicht nur gesammelt, sondern auch sorgfältig aufbereitet und analysiert werden, damit sie sich für das Training von KI-Modellen eignen. Die Qualität der Daten spielt dabei eine entscheidende Rolle, da ungenaue oder unvollständige Daten zu unzuverlässigen Ergebnissen führen können. Zudem können Daten aus den Modellen nicht einfach entfernt werden.
Diese Komplexität zeigt deutlich, dass es nicht nur technisches Know-how und geeignete Daten braucht, sondern auch eine strategische Planung und ein tiefes Verständnis für die Funktionsweise und Anforderungen von KI-Modellen.
Der Fokus vieler Unternehmen in Deutschland liegt häufig auf der Effizienzsteigerung durch KI. Sehen Sie hier ein Ungleichgewicht zu innovativen Anwendungen? Wie wichtig ist das „Ausprobieren“ von KI-Lösungen im Vergleich zum sofortigen Einsatz?
Das Ausprobieren und sich mit KI-Anwendungen vertraut zu machen, ist essentiell, um den richtigen Weg für das eigene Unternehmen einzuschlagen. Doch auch dabei braucht es eine Strategie. Derzeit wird aber eher zu viel mit KI experimentiert, ohne dabei klare Ziele zu verfolgen und sich auf die langfristige Skalierbarkeit sowie die praktische Anwendung von KI zu konzentrieren. Diese Herangehensweise führt dazu, dass viele KI-Anwendungen in einem Stadium des Experimentierens stecken bleiben und nie ihr volles Potenzial entfalten können.
Um einen echten Mehrwert aus KI-Anwendungen zu generieren, müssen Unternehmen stärker daran arbeiten, skalierbare Lösungen zu entwickeln. Dies erfordert eine Ausrichtung, die über einfache Effizienzgewinne hinausgeht. Unternehmen müssen sicherstellen, dass die Implementierung von KI nicht nur kurzfristige Vorteile bringt, sondern langfristig nachhaltig und erweiterbar ist. Geschieht dies nicht, besteht die Gefahr, dass der in die Technologie investierte Aufwand einfach verpufft. Oder noch schlimmer, dass Unternehmen die KI-Reise abbrechen – und das wäre eine Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit! Um dies zu vermeiden, sollten Unternehmen eine klare Vision und Strategie für die Implementierung und Nutzung von KI entwickeln.